Asil und Elif Demir (Zum Schutz der Personen wurden die Namen von der Redaktion geändert)
Verheiratet, eine Tochter (9 Jahre), 2003 geflohen aus Kurdistan/Türkei.
Von Beruf Tontechniker und Kamerafrau, sind sie seit 15 Jahren in Belgien (13 Jahre in Flandern, seit 2 Jahren in der DG).
Weil die Gefahr zu groß war, wir selber zu sein.
Ein Erlebnisbericht.
Wir sind 44 und 43 Jahre alt und leben seit 15 Jahren in Belgien. Zuerst lebten wir 13 Jahre in Flandern und haben dort auch in unseren Berufen gearbeitet. Da ein Teil unserer kurdischen Familien in Deutschland lebt, haben wir uns vor zwei Jahren entschieden, nach Ostbelgien zu ziehen.
Auch für unsere Tochter ist das besser. Sie spricht inzwischen sehr gut Deutsch und fühlt sich in ihrer Schule sehr wohl. Wir Eltern lernen jetzt seit 2 Jahren Deutsch, nachdem wir zuerst Niederländisch gelernt hatten. Es ist aber schwierig für uns, und wir haben hier in der DG noch immer keine Arbeit gefunden.
In Kurdistan lebten wir beide auf dem Land, in kleinen Dörfern, in dem es auch heute noch weder Telefon, noch Internet gibt. Als Kurden durften wir weder unsere Muttersprache sprechen, noch unsere Kultur leben. Wir mussten leben wie die türkische Mehrheit, die Türkisch spricht und muslimisch ist.
Es gab keine Meinungsfreiheit, und wir hatten auch fast Angst, frei zu denken. Wer auf der Straße erwischt wurde, wenn er Kurdisch sprach oder z.B. rauchte, oder wenn nichtmuslimische Kinder in der Schule während des Rammadans etwas aßen, gab es schwere Strafen. Als Erwachsener kam man ins Gefängnis, wurde geschlagen und misshandelt. Viele Kurden wurden sogar getötet, nur, weil sie Kurden waren. Wir lebten in der ständigen Angst vor den türkischen Soldaten. Mein Vater wurde mehrmals verhaftet, mitgenommen, geschlagen…
Wenn man in Kurdistan in journalistischen Berufen arbeitet, sich politisch oder auch nur kulturell engagiert (z.B. als Musiker, Schriftsteller…), lebt man besonders gefährlich. Man darf nur die Ansichten der Regierung vertreten. Als ich jung war, kamen einmal Soldaten ins Haus meines Vaters. Er musste alle Bücher und Texte, die ich geschrieben hatte, vor den Augen der Soldaten verbrennen.
Viele junge kurdische Männer versuchen auch heute noch das Land zu verlassen, damit sie nicht zum Militärdienst eingezogen werden. Dasselbe hatte ich mit 20 Jahren auch getan.
Weil die Gefahr, in unseren Berufen zu arbeiten, zu groß war, und als gute Freunde von uns ins Gefängnis kamen, nur, weil sie Kurden waren, haben wir uns beide schließlich entschieden, unser Land zu verlassen. Damals kannten wir uns noch nicht.
Wir sind beide zuerst nach Deutschland gegangen, weil Verwandte von uns schon dort lebten. Und dort lernten wir uns kennen. Meine Frau arbeitete dort ein Jahr lang als freie Journalistin, und ich arbeitete bei einem kurdischen Fernsehsender.
Dann haben wir geheiratet und sind nach Belgien gegangen, wo wir mehr als 10 Jahre lang eine gute Anstellung bei einem kurdischen Fernsehsender hatten. Aber trotz unserer Arbeit in Flandern, waren wir in unserem Wohnort nicht gut integriert. Weil wir wieder in die Nähe unserer Verwandten in Deutschland ziehen wollten, sind wir 2016 nach Ostbelgien gekommen. Die Menschen hier sind offener als in Flandern.
Jetzt lernen wir beide Deutsch, damit wir mehr Chancen haben, eine Arbeit zu finden. Wir würden auch gern über ein Praktikum einen Arbeitsplatz finden. Meine Frau nimmt gerade an einem Projekt teil, das speziell Frauen helfen soll, sich auf dem Arbeitsmarkt zu integrieren.
Obwohl wir heute nicht mehr in der Türkei leben, müssen wir sehr vorsichtig sein, wenn wir über die sozialen Netzwerke kommunizieren. Es ist sehr schwer und manchmal unmöglich, mit unseren Familien und Freunden zu sprechen. Wir müssen immer Angst haben, dass unsere Gespräche abgehört werden.
Es ist auch heute noch sehr gefährlich für uns, unsere Eltern und Familien in Kurdistan zu besuchen. Deshalb haben wir sie schon mehrere Jahre nicht gesehen.
Jetzt müssen wir unsere Zukunft in Belgien weiter aufbauen, vor allem auch für unsere Tochter. Wir werden sicher nie wieder zurück in unser Land gehen, denn wir können uns nicht vorstellen, dass sich die politische Situation einmal verbessern wird. Jetzt sind wir auch schon zu lange weg aus unserem Land. Es ist alles anders geworden; wir erkennen unser eigenes Land nicht mehr. Und die Heimat unserer Tochter ist Belgien, da sie hier geboren ist, zur Schule geht und ihre Freunde hier hat.